Patronatsverein

Interview mit
Manuel Gaubatz

Sie arbeiten seit der Spielzeit 2021/22 als Tanzpädagoge und Workshop-Leiter für die Dresden Frankfurt Dance Company. Einige Mitglieder des Patronatsvereins haben Sie bei Workshops bereits kennengelernt. Sie stehen für Vermittlung. Was ist Ihnen dabei besonders wichtig?

Im Fokus meiner Vermittlungsarbeit im Kontext der Dresden Frankfurt Dance Company steht für mich das Zusammenspiel der eigenen Ausdrucksfähigkeit und der Arbeit der Company.

Verständnis zu schaffen und Möglichkeiten zu bieten, die Arbeit der DFDC in unseren Workshop-Formaten selbst zu erleben, stehen für mich im Mittelpunkt. Gepaart mit dem Bedürfnis jedes einzelnen, sich mit dem eigenen Körper und Emotionen auszudrücken. Das ermöglicht allen Teilnehmer*innen auf individuelle Weise, Momente aus dem eigenen Leben als Ankerpunkte zu nutzen und im Tanz zu integrieren. Sehr oft bekomme ich wundervolle Rückmeldungen, dass die Workshops auch gern als Form der eigenen Selbstreflektion gesehen werden. Tanz bietet die Möglichkeit, sich komplett frei auszudrücken und hilft dabei, wieder zu sich selbst zu finden.
In der Arbeit von Ioannis Mandafounis geht es unter anderem darum, im Jetzt wahrhaftig zu sein und im Moment zu leben. Da ich auch aus dem Schauspiel einiges an Erfahrung mitbringe und dieser Teil der Methodik meiner persönlichen Einstellung zum Tanz sehr nah kommt, bietet die Improvisationstechnik von Ioannis eine schöne Möglichkeit, sich mit den Produktionen der DFDC und zugleich mit sich selbst auseinanderzusetzen.

Sie sind ausgebildeter Tänzer und haben die Schauspielschule besucht. Was war Ihre erste entscheidende Begegnung mit dem Tanz, die Ihre spätere Entwicklung beeinflusst hat? Wie ist der Wunsch entstanden, Tänzer zu werden?

Ich bin in einem bescheidenen Haushalt auf der schwäbischen Alb aufgewachsen. Als Teenager wollte ich mich bewegen, aber wusste nicht wie oder welchen Zugang ich zu meinem Körper brauche. Fußball oder Basketball haben mich einfach überhaupt nicht interessiert. Und das obwohl mein Großvater großer Fußballfan war und ich mit ihm immer Spiele geschaut habe. Ich habe ein Jahr Judo ausprobiert und habe auch da keinen Zugang gefunden. Als ich den Flyer einer Tanzschule auf der Straße in meiner Heimatstadt Balingen in die Hand gedrückt bekommen habe, wusste ich auf einmal: Ich will tanzen. Olesja Gordenin war meine erste Tanzlehrerin in Hip Hop, Ballett und Jazzdance, ihr habe ich meine Inspiration zum Tanz zu verdanken. Sie förderte mich und hat mir das Grundwissen, Disziplin und Einblicke in die Tanzwelt vermittelt.

Zu meiner Jugendzeit war es besonders auf dem Land nicht üblich, als Junge zu tanzen und es gab es noch keine Kanäle wie Instagram oder Tik Tok, um Gleichgesinnte zu finden. Ich habe den Tanz sehr ernst genommen und stand 100% hinter dem, was ich tat. Dies wurde auch in meinem Umkreis wahrgenommen und respektiert. Ich habe mir aber keine Illusionen über den Beruf eines Tänzers gemacht. Mein Vertrauen, dass ich Tänzer werden kann, war zu dem Zeitpunkt mit 18 Jahren noch nicht so hoch, sodass ich mich entschied an der Schauspielschule vorzusprechen. Das Bedürfnis, mich künstlerisch auszudrücken und auch in andere Welten zu tauchen und vielleicht auch ein wenig der Realität zu entfliehen, konnte ich nicht verdrängen. Ich bin dann auf der Schauspielschule gelandet. Während dem Studium habe ich Tanz auch weiterverfolgt und bekam von einer Tanzakademie Aufmerksamkeit. Die Lehrerschaft hatte viel Mühe mich davon zu überzeugen, zur Aufnahmeprüfung zu kommen. Als ich mich darauf eingelassen habe, bekam ich ein Stipendium für eine private Jazztanzausbildung. Dies war der Wendepunkt meiner Laufbahn. Ich entschied mich in Frankfurt an der HfMDK und in Arnheim an der Artez vorzutanzen und bekam an beiden Schulen einen Platz. Ich entschied mich aus privaten Gründen für Frankfurt und bin glücklicher Frankfurter geworden. Natürlich war es nicht einfach, gerade im Bereich Ballett meine Lücken aufzuholen, aber mit Willen, Motivation und wirklich harter Arbeit habe ich es dann im 3. Studienjahr an die Holstebro Theater & Dance Company nach Dänemark zu einem Vollvertrag als Tänzer geschafft. Dass ich hauptberuflich tanze, damit hatte ich wirklich nie gerechnet. Ich habe über die Jahre auch meinen Weg zum Schauspiel wiedergefunden und arbeite heute in beiden Bereichen. Ich möchte keine der beiden Kunstformen missen. So wie Ioannis auch in seiner Arbeit unterschiedliche Ansätze hat, ist meine Arbeit ebenfalls von Einflüssen unterschiedlichster Kunstformen geprägt.

Mein Wunsch, Tänzer zu werden, entstand also eher durch Zufall und war in meiner Karriereplanung kein konkreter Weg, den ich mir ausgesucht habe. Das Leben und das Universum haben mich dorthin geleitet, wo ich nun heute bin. 

Was bedeutet der Tanz für Sie?

Tanz bedeutet, seine eigenen Emotionen durch den Körper, durch die eigene Interpretation von Bewegung auszudrücken. Sich eine Plattform zu schaffen, sein Inneres nach außen zu tragen. Verbindungen meiner Weltsicht und der Sicht der Gesellschaft zu schaffen. Das Wichtigste für mich im Tanz ist, dass er aus Liebe und Freude entsteht und aus einem Bedürfnis, etwas zu Bewegen oder etwas in einer Person auszulösen, wenn meine Interpretation von Bewegung betrachtet und gefühlt wird. Tanz ist für mich selbst ein Weg, mich selbst zu erden, mein Ich zu explorieren und immer wieder neu zu erfahren und auch zu heilen. Tanz kann für mich wunderschöne Verbindungen unterschiedlicher Altersgruppen und Kulturen schaffen. Dies habe ich nicht nur in unseren DFDC-Workshops gesehen, sondern in den unterschiedlichsten Produktionen. Tanz schafft es, Menschen etwas fühlen und sehen zu lassen, dass durch Worte nicht auszudrücken ist. Und das ist das besondere für mich im Tanz. Jeder kann Bewegungen und getanzte Bilder unterschiedlich und sehr persönlich interpretieren.

In den Tanz-Workshops gibt es ganz unterschiedliche Gruppen, wie beispielsweise Jugendliche oder Senioren, denen Sie und die anderen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einen Zugang zum Tanz vermitteln. Was lernen Sie selbst dabei von diesen Teilnehmern und Teilnehmerinnen?

In meine Antworten der ersten Fragen schimmern schon ein paar Antworten auf diese Frage durch. Jede Altersgruppe gibt mir persönlich auf unterschiedliche Art und Weise Möglichkeiten, Tanz wieder neu zu betrachten. Jedes Workshop-Format ist für mich besonders und ich teile meine Liebe zum Tanz und der Vermittlung mit voller Leidenschaft.

Wenn ich einen Kids-Workshop gebe und sehe, wie sich die Kids mit einem nicht zu bändigenden Hunger kreativ ausdrücken und sich voller Motivation in Improvisationsaufgaben stürzen, dann zeigt mir das immer wieder aufs Neue, was ich mit meiner Arbeit bei unserer jungen Zielgruppe und insbesondere auch bei Jungs an positivem Einfluss haben kann. Die Möglichkeit, Sichtweisen zu verändern und schon in jungen Jahren Zugänge zu den eigenen Emotionen und der eigenen Ausdrucksfähigkeit zu schaffen, und dadurch wiederum den Selbstwert zu stärken, ist für mich das Bewegendste. Besonders, da ich mir selbst als junges Kind solche Vorbilder gewünscht hätte. In einer anderen Form geben mir Erwachsene und insbesondere die Zielgruppe 60+ eine unglaubliche Dankbarkeit zurück. Zu sehen, wie sich Menschen bewegen, wie sie es in ihrem Alltag vielleicht nicht tun würden aber auch zu sehen, was für ein Drang der eigenen Selbstreflektion und Selbsterfahrung, egal in welchem Alter, gebraucht und gewünscht wird, lässt mich oft innehalten und Dankbarkeit verspüren. Dankbarkeit, dass ich die Möglichkeit habe, ein Katalysator für diese ganze Arbeit mit sich selbst zu sein. Dankbarkeit, dass ich etwas in der Gesellschaft bewegen kann, in den Dialog bringen und Nähe schaffen kann.

Über welches Feedback zu Ihrer Arbeit haben Sie sich selbst bislang am meisten gefreut?

Ich freue mich über jedes Feedback, auch wenn es Anregungen sind.  Das hilft mir, auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden noch besser eingehen zu können und zu verstehen, was gebraucht wird. Das schönste Feedback ist, wenn Teilnehmende nach den Workshops mit Dankbarkeit auf mich zukommen und mir spiegeln, was die Workshops bei Ihnen auslösen und dass der Tanz Ihnen hilft, persönliche Situationen zu verarbeiten und Emotionen zu verändern. Besonders hervorheben möchte ich die tollen selbstgebackenen Präsente der Workshop 60+ Teilnehmenden um Weihnachten herum, oder selbstgeschriebene Karten nach den Workshops mit wundervollen Texten und Danksagungen.

Als ich einen Kurs mit fast 40 Männern hatte, waren alle am ersten Tag etwas scheu, aber am 2. Workshoptag sind sie schon so aus sich herausgekommen, haben sich bewegt und miteinander agiert, wie ich es mir niemals erträumt hätte. Das ist ein tolles indirektes Feedback, dass ich so schnell nicht wieder vergessen werde. Und das größte Feedback für mich ist immer noch, dass alle immer wieder und regelmäßig zu den Kursen kommen und dass sich schon eine große Fangemeinde gebildet hat.

Bei einigen der Mitglieder des Patronatsvereins besteht Interesse, aber eine gewisse Scheu, sich zu einem Workshop anzumelden. Wie würden Sie diese ermuntern, es zu wagen?

If you never try you will never experience! Ich kann jeden herzlich dazu einladen, sich selbst ein Bild davon zu machen, wie gut die Workshops für jeden individuell umsetzbar sind. Jeder darf und kann in seiner Intensität an den Bewegungen teilhaben, sich im eigenen Maße hingeben und den eigenen Körper und die Bewegungen explorieren.

Es gibt kein richtig und falsch, keine Schritte, die erlernt werden müssen, sondern nur euch selbst, eure Ideen und das große weiße Studio in der Schmidtstraße, in dem sich ausgetobt werden darf – natürlich in dem Rahmen, den ich mit dem Workshop und der jeweiligen Produktion setze.

Wann bekommt man in seinem Leben die Möglichkeit, sich mit sich selbst zu verbinden, sich vielleicht auch mit seinem eigenen inneren Kind und der Verspieltheit und Kreativität auseinanderzusetzen, und das im Zusammenspiel mit der gesamten Workshopgruppe.

Kommt, findet heraus, spürt, tanzt und seht, was es mit euch macht!

Sie haben in Frankfurt am Main studiert und arbeiten in Frankfurt. Was sind Ihre Lieblingsplätze hier in Frankfurt?

Mein Lieblingsstadtteil ist Sachsenhausen. Als ich nach Frankfurt zog, bin ich relativ schnell dort gelandet. Das Museumsufer und der Main sind für mich ein Ort, an dem ich mich zuhause fühle. Im Sommer trinke ich gern im Maincafé einen Iced Coffee mit Blick auf den Main und einem Schwätzchen in guter Gesellschaft. Ebenfalls liebe ich die Berger Straße und die urige Weinkneipe, in der man im Sommer abends einen schönen Wein mit seinen Freunden trinken kann. Fürs Wochenende sind die Kleinmarkthalle oder Freitag abends der Friedberger Platz beliebte Orte. Wenn ich in einem Café am Laptop in einer entspannten Umgebung arbeiten möchte, sind das Mokas in Sachsenhausen oder das Liebieghaus meine Anlaufstelle.

Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft des Tanzes in Frankfurt?

Noch mehr Möglichkeiten, Menschen Tanz nahe zu bringen. Dass Tanz für jeden zugänglicher wird. Auch durch die Unterstützung der Stadt, um Tanz schon früh in die Schulen zu bringen, damit Kinder schon in jungen Jahren mit Tanz in Berührung kommen, selbst tanzen und ein Verständnis für diese Kunstform entwickeln. Mehr Möglichkeiten für freischaffende Künstler*innen und Aufführungsorte, mehr Fördergelder, um Projekte mit den genannten sozialen Aspekten und Hintergründen umsetzen zu können.

VIELEN DANK